Wenn wir von Digitalisierung sprechen, werden gerne Facetten “verteufelt” oder als “the next big thing” in den Himmel gelobt. Alles geht heutzutage immer schneller, es wird einem schwindlig, wenn man den “Evangelisten” (allein der Name schon!) auf Konferenzen und Vorträgen zum Thema KI zuhört. Doch mit der Panik, eigentlich heute schon von China & Co. abgehängt worden zu sein und das Gefühl, ständig hinter einer Entwicklung her zu hinken, belügen wir uns selbst. Das stimmt nämlich eigentlich gar nicht. Und das ist etwas, was wir nicht nur gerade diese Woche gemäß der Fastenaktion 7 Wochen ohne auch dringend bleiben lassen sollten. Wir brauchen wieder mehr Bodenhaftung, denn “da gibt es viel Rausch, Bauerntricks und auch Schrott, der im Zuge der Digitalisierung schnell begonnen wird.” Denn Digitalisierung ist kein Selbstzweck, und nicht alles was toll, modern und hipp wirkt, muss um seinetwillen auch umgesetzt werden. Manchmal habe ich den Eindruck, diese vernünftige und pragmatische Grundhaltung wird allzu oft von Euphorie und Erkundungsbedürfnis verdrängt — obwohl doch der Treiber jeglicher Entwicklung der Mehrwert für die Menschen als Anwender und Nutznießer sein sollte. Wenn dann aber technische Innovationen den Eindruck erwecken, mit der Teenager-Argumentation (“Warum tust du das?” — “Weil ich es kann!”) umgesetzt zu werden statt konkrete SINNvolle Ziele zu verfolgen, dann wird einmal mehr deutlich, weshalb es so unbedingt notwendig ist, “Ethics by Design” im kompletten Entwicklungsprozess mitzudenken. Schon vor längerer Zeit forderte ich die Integration von Ethik im Ingenieursstudium. Aber wie sagt schon ein bekanntes Sprichwort: “Der Fortschritt ist eine Schnecke”. Nur “die technischen Möglichkeiten entwickeln sich hingegen in rasender Geschwindigkeit. Heute Industrie 4.0, morgen Künstliche Intelligenz. Wer sich aber allein von den technischen Möglichkeiten treiben lässt, wird sehr wahrscheinlich mit hohem Tempo in die falsche Richtung laufen.

Dass hierbei aber bereits durchaus eine gewisse Zurückhaltung wahrnehmbar ist, zeigt die VDI-Umfrage zu künstlicher Intelligenz: “Zwei Dritter der Befragten steht autonomen Systemen kritisch gegenüber, […] hypothetische Einsätze, bzw. solche, die noch nicht eingeführt wurden und damit auch noch nicht erlebbar sind, verlieren” sogar noch an Unterstützung gegenüber dem Vorjahr. Dies zeigt auch die kritische Haltung, die durchaus schon vorhanden ist und uns bei der Weiterentwicklung der künstlichen Intelligenz und autonomer Systeme nicht schadet, weil wir “abgehängt” werden, sondern wohl eher gut tun wird, weil wir durchdachte und überzeugende Konzepte entwickeln, die als ausgereifte Produkte auch das Vertrauen von Menschen verdient haben. Dass hierbei auch ethische Reflektion eine zentrale Rolle spielt, ist für mich selbstverständlich, sollte aber dringend auch an den entsprechenden Stellen realisiert werden. Leider liegt dort der Fokus derzeit noch eher auf einer anderen Achilles-Verse der KI: dem Datenschutz, was zur Folge hat, dass “die Hälfte der deutschen Industrie […] aus Gründen des Datenschutzes lieber mit heimischen KI-Anbietern als mit amerikanischen oder chinesischen KI-Unternehmen zusammenarbeiten” würde. Wäre aber ja auch nicht schlecht, wenn diese Zusammenarbeit aufgrund des Datenschutzes dann zu nützlichem “Ethics by Design” made in Germany führen würde…

Das gleiche gilt für die Sorge um die Zukunft der Arbeit: Die Einen warnen vor dem Untergang: “Laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) besteht bei 54 Prozent der Arbeitsplätze in Deutschland das Risiko, dass sie komplett verschwinden oder sich die Anforderungen verändern werden.” Andererseits verursachen Prognosen wie die, die ich im Artikel “Ist die KI bald der bessere Pfarrer” erläutert habe, durchaus auch Sorge vor der Zukunft. Auch die Frage, ob der Mensch eine übermächtige, gefährliche KI überhaupt noch im Griff haben könnte skizziert düstere Zukunftsszenarien. Doch realistisch betrachtet bemerkt man, wie auch der ganze Hype um KI so langsam an seine Grenzen stößt. Und das Ergebnis? Es kommt auf meine Haltung an. Es kommt darauf an, wie ich mit künstlicher Intelligenz umgehe, was ich mir erhoffe und welches Menschenbild (traue ich den Menschen etwas zu?) ich zugrunde lege. Und wenn ich dann vernünftigerweise einfach mal kleiner Brötchen backe in den Anforderungen an mich selbst und den Anforderungen an die Geschwindigkeit des technischen Fortschritts und nicht alles so schnell wie möglich (sondern auch ethisch reflektiert) haben möchte, dann kann ich auch ein gutes Gewissen dabei haben.

Und der Neid auf andere Nationen, die wohl schon so viel weiter sind als wir, verblasst gegenüber der Reflektion die viele Fallstricke aufzeigt, vielleicht auch Potentiale offenlegt aber vor allem auch Diskussionen anregt, die notwendig sind um angemessen auf eine grundlegende Veränderung der Gesellschaft durch Digitalisierung einzugehen. Für Hauke Behrendt, Technikphilosoph an der Uni Stuttgart, haben die Menschen immer noch ein Wörtchen mitzureden: “Wir haben es in der Hand, welchen Weg die Digitalisierung einschlägt und ob es uns gelingt, mit den Herausforderungen der Zeit sinnvoll umzugehen.” Deshalb: Keine Panik vor KI. Letztlich führt die Auseinandersetzung damit ja sogar zurück zur Frage, was der Mensch eigentlich so für einer ist.

Übrigens: Mit einer Vision der mal wirklich guten Entwicklung eines Anwendungsfalls künstlicher Intelligenz teile ich die Meinung von Petra Grimm, die im Interview ein Echtzeit-Übersetzungstool ersehnte: “ und zwar so, dass auch das nicht Übersetz­bare oder das kulturell anders zu Verstehende berücksichtigt werden. Das würde nicht nur sprachliche, sondern auch kulturelle Barrieren über­winden helfen. Es wäre ein kultur­geschichtlicher Sprung in eine neue Epoche, wenn der Turm zu Babel endlich Vergangen­heit wird.” Im Gegensatz zur Unsterblichkeit oder der Zukunft ohne Arbeit (weil die autonomen Systeme alles erledigen) würde das doch auch zu den “kleinen Brötchen” gehören, die wir jetzt so langsam mal backen könnten, oder?